Diesen Moment habe ich schon mehrmals erlebt: üblicherweise in Gesprächen zur Auftragsklärung für einen Workshop für ein Team oder für eine Begleitung für Veränderungsprojekte. Mir gegenüber sitzen Menschen mit Führungsverantwortung - abteilungsleitend oder eine Projektleitung. Und wenn es darum geht zu besprechen, was genau der Auftrag ist, dann kommen meist erst irgendwelche Allgemeinplätze und irgendwann folgt ein Halbsatz, wie: "… wir müssen da halt an unseren soft skills arbeiten."
Und bei diesem Satz schwingt dann in der Stimme ein seltsamer Ton mit - irgendwie sowas wie eine trotzige Hilflosigkeit. Als würde über etwas gesprochen, das zwar nicht angenehm ist, das es aber halt irgendwie leider auch braucht. Eine lästige Pflicht. Und wie etwas, das nicht wirklich gut bekannt ist, eher fremd und unbekannt - fast wie aus einem anderen Land. Da kennt man sich auch erstmal nicht aus.
Wenn ich das hier schreibe, dann nicht, um mich über die Äusserung und das Verhalten lustig zu machen. Es ist für mich sehr gut nachvollziehbar, dass es viele Menschen gibt, die in der Vergangenheit keinen Bedarf und keine Notwendigkeit hatten, sich mit sich und anderen Menschen auseinanderzusetzen. Und sie dadurch eben auch nicht geübt sind in Kompetenzen, wo es um das geht, was zwischen mir und jemandem anderen gerade passiert.
Es geht mir darum deutlich zu machen, daß wir in der derzeitigen Arbeitswelt noch einen Weg vor uns haben, um eine ausgewogene und gesunde Balance zwischen den sogenannten "hard skills" und "soft skills" zu etablieren. Zwischen fachlichem Know-How und Kompetenzen in der menschlichen Begegnung. Zwischen Technologie-Fokussierung und gegenseitigem Vertrauen. Zwischen Bedienungsanleitungen und einem gesunden Navigieren der eigenen Gefühle.
Hard und Soft Skills - wo kommt das eigentlich her?
Die Unterscheidung zwischen "hard" und "soft skills" kommt aus dem US-Militär der späten 1960er Jahre und bezeichnet im ursprünglichen Sinn die Unterteilung in die Fertigkeiten, die es braucht, um Kriegsmaterial - Panzer, Gewehre, Munition, das harte Material eben - zu "bedienen": die "hard skills". "Soft skills" beschreiben demzufolge alle anderen Fertigkeiten, die nichts mit Maschinen zu tun haben, sondern eben mit Menschen. Die Unterscheidung war ein Versuch, die notwendigen Kompetenzen und Fertigkeiten zu der Zeit einzuordnen und zu sortieren. Nicht mehr und nicht weniger.
Das Fatale aus meiner Sicht: wir leben noch immer in einer Zeit, wo tendenziell dem "Harten", dem Technischen mehr Wert zugesprochen wird, als dem "Soften", dem Menschlichen. Die Gründe dafür zu suchen ist müßig an der Stelle - darum geht es hier nicht. Wobei die Art und Weise wie das deutsche Bildungssystem und die Lehrpläne inhaltlich konstruiert sind, da sicherlich einen erheblichen Beitrag geleistet hat und immer noch leistet. Wie benotet man eigentlich Mitgefühl, Hilfsbereitschaft und Teamfähigkeit?
Unsere Worte schaffen unsere Wirklichkeit
Die Unterscheidung zwischen soft skills und hard skills, die uns da seit der Mitte des 20. Jahrhundert begleitet, hat uns mit den Worten geprägt. Und da unsere Worte auch immer Ausdruck unserer Sicht auf die Welt sind, lohnt sich da mal genauer hinzuhorchen. Wenn ich mich mit "soften" Themen beschäftige, bin ich dann automatisch ein Softie? (Was auch immer das sein soll…)
Und weich ist halt auch kein wirklich erstrebenswerter Aggregatzustand - besonders nicht für einige Männer. Wo bleibt denn da die Körperspannung und die gestählten (!) Muskeln? "Soft" wird so mitunter auch gleichbedeutend mit einer Einladung ins Ungewisse. Da, wo es Unlogisch wird, wo ich mich nicht auskenne, trotz meines tiefen Fachwissens. Wo es scheinbar keine klaren Grenzen gibt, wo nichts mehr belastbar sei, wo alles an den Enden irgendwie ausfranst. Und überhaupt: Sollen wir uns etwa nur noch mit Samthandschuhen begegnen und uns mit Wattebäuschen bewerfen?! Auch alles weiche Dinge.
Was am Ende auch noch im "soften" Topf landet: Gefühle. Menschen fühlen, auch schon ohne andere Menschen. Wenn es dann noch darum gehen könnte Gefühle zu zeigen und zeigen zu dürfen, wird es für viele Menschen sehr wackelig, darunter sind immer noch tendenziell eher Männer vertreten . Und auch hier: das ist nicht gelernt und nicht geübt. Und deshalb wird so ein Verhalten verständlicherweise vermieden so lange es geht.
Da sind die "hard skills" doch viel attraktiver. Die technischen Inhalte passen in ein Textbuch oder eine Anleitung und kann in logische Abfolgen und Sequenzen gepackt werden. Klare Verhältnisse: ein Ursache, eine Wirkung, ein Ergebnis. Das ist belastbar, messbar und verlässlich. Und damit auch vermeintlich sicher. (Ungewiss ist übrigens etwas anderes als unsicher, aber das ist ein anderes Missverständnis 😊)
Heutige Herausforderungen für Führung
Wenn ich mir jetzt die Herausforderungen anschaue, die Führungspersonen heute haben und bei denen sie sich Unterstützung suchen, dann sind das eher selten Themen, die in die "hard skills"-Kategorie fallen. Zum Beispiel:
Wirksam Delegieren
Teambesprechungen effektiv leiten
Moderation von (Ziel-)Konflikten
ein zusammengewürfeltes Projekt-Team führen - gerne auch ohne hierarchische Verantwortung
Klar kommunizieren und Rückmeldungen geben
Vermittlung von strategischer Ausrichtung und Zielorientierung
Umgang mit Stress und Überlast - bei sich selbst und den Menschen im Team
und letztendlich alles weitere, wo ich ein Gegenüber habe, mit dem ich etwas auszuhandeln habe.
Die Herausforderungen sind übrigens unabhängig davon, ob jemand in einer Hierarchie führt, also zum Beispiel seine Abteilung, in einem Projekt-Setting, wo unter Umständen Menschen aus unterschiedlichen Abteilungen zusammenkommen oder in anderen Organisationsformen mit situativen Führungsmodellen.
Schlüssel-Fertigkeiten für die Zukunft
Für eine wirksame und gesunde Führung braucht es letztendlich immer Fertigkeiten und Kompetenzen der natürlichen Intelligenz. Dazu habe ich hier schon mal was geschrieben. Einige Fertigkeiten, die sich daraus ableiten, sind zum Beispiel:
eine Kompetenz in Selbstführung, wie effektive Selbst-Regulation und ein Bewusstsein über das eigene Grundbedürfnis und der eigenen Muster. Dazu gehört auch die Kompetenz in den Untiefen der eigenen Gefühle gut navigieren zu können.
eine gesunde Reflexionsfähigkeit und die (Er-)Kenntnis des blinden Flecks, um sich sein Handeln vor Augen führen zu können und auch der eigenen Grenzen bewusst werden zu können.
ein Bewusstsein zu der Wirkung und den Einsatzmöglichkeiten von (Mikro-)Gewohnheiten. Dazu gehört kompetent mit Veränderungen umzugehen - bei sich selbst und auch in der Führung von anderen.
eine positive Selbst-Beziehung zu mir als Person und meinem Körper - mit allem was dazugehört, meiner Stimme, meinem Alter, meinem Gewicht, etc. Nur wenn ich mir meines Wertes bewusst bin und mir selbst wohlwollend begegnen kann, kann ich so auch anderen begegnen.
Steuerung der eigenen Resilienz-Fähigkeit und stärkender Umgang mit der zunehmenden Mehrdeutigkeit in der Welt. Nicht-Wissen auszuhalten und stabil sich selbst zu vertrauen ist die Grundlage für ein Leben in einer zunehmend unübersichtlichen Welt.
Das sind alles Fertigkeiten, die wir Menschen für die Zukunft brauchen, die uns aber in Schule und Studium nicht oder nur ansatzweise vermittelt werden. Und wenn überhaupt, dann eher als etwas "Nice-to-have". Dabei sind dies alles Schlüssel-Fertigkeiten für das 21. Jahrhundert, was auch immer dieses Jahrhundert für uns noch bereit hält - das ist ja noch ungewiss.
Wie wird sich die Arbeitswelt verändern, wenn jetzt schon klar ist, dass technisches Know-How viel leichter, schneller und verlässlicher von Maschinen und künstlicher Intelligenz verarbeitet und bereit gestellt werden kann? Inwiefern verändert das unsere Sicht auf das, was wir als Fertigkeiten brauchen, um für eine gemeinsame Zukunft vorbereitet zu sein?
Hast Du Lust Dir und Deinen Führungskompetenzen ein zeitgemäßes Update zu gönnen? Wollen Du und dein Team eine gute Vorbereitung auf zukünftige Herausforderungen? Ich freue mich auf einen Austausch! Und vielleicht ist beim Workshop-Angebot ja auch was dabei für Dich.
P.S. Übrigens, ein weiterer Satz, den ich in Gesprächen zur Auftragsklärung auch schon oft gehört habe: „Bei uns menschelt’s halt.“
Was mir dazu einfällt? - „Na klar, wie soll es denn auch sonst sein!?“ 😊
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