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Von den Führungspersonen¹, die gut gefunden werden wollten

Solche Menschen gibt es, vielleicht bist Du ihnen ja auch schon mal begegnet: Menschen, für die es sehr wichtig zu sein scheint, gut gefunden werden zu wollen. Und wie die Fußnote in der Überschrift andeutet (siehe weiter unter) - es macht da gar keinen Unterschied, ob es um Themen in der Arbeit geht oder um Dinge aus dem privaten Bereich. Die Dynamik ist letztendlich die gleiche. Es geht darum, dass Menschen für das was sie machen gut gefunden werden wollen. Lasst uns das mal ein bisschen näher anschauen. Und gleich vorneweg: Menschen dürfen sich natürlich gegenseitig gut finden - keine Frage. Und auch vorneweg - Achtung: Spoiler Alert! - die Kernaussage kommt hier gleich zu Beginn: Gut gefunden zu werden kann das Ergebnis einer Handlung sein, es sollte nicht das Ziel sein!


Wenn es Menschen in Führung - und führen tun wir in irgendeiner Form nahezu immer, egal ob als CEO, als Abteilungsleitung, als Elternteil, als Hundebesitzer, als Partner, als Sport-Trainerin - nicht gut gelingt zwischen dem zu unterscheiden, was sie in dieser Funktion machen und wie sie in dieser Tätigkeit als Person wahrgenommen werden wollen, dann kann das sehr frustrierend enden. Für sie selbst und für die Menschen um sie herum.


Vom Glaubenssatz zur Kultur

Oftmals sind dann Gedanken am Start, wie „Ich sag‘ das jetzt lieber nicht, wie ich es eigentlich meine, denn sonst wäre mein Gegenüber enttäuscht.“ oder „Wenn ich das jetzt so sage, dann verletzt das mein Gegenüber.“ Auch hier ein kleiner Einschub: natürlich will ich hier nicht so verstanden werden, dass es in Ordnung wäre, anderen Menschen bewusst Leid zuzufügen oder in Kauf zu nehmen, dass jemand Schaden nimmt. Es geht vielmehr darum zu erkennen, dass hier unter Umständen eine unbewusste Überinterpretation bzw. eine Überbetonung des Kernbedürfnisses nach Kontakt und Beziehung stattfindet. Nach dem Motto: „Hier müssen alle immer freundlich zueinander sein.“


Vielleicht auch in Verbindung mit einem Glaubenssatz, wie: „Wenn ich mich hier nicht immer freundlich verhalte, dann gehöre ich nicht mehr dazu.“ Schluck. Eine Meinungsverschiedenheit deutlich zu machen, einen Konflikt auszuhalten oder eine Grenze zu setzen würde an diesem Konzept schon erheblich kratzen. Sehr verkürzt: Aus vielen solchen einzelnen - meist ungeschriebenen - Verhaltensregeln setzt sich dann nach und nach die Kultur in einer Gruppe zusammen - sei es als Sippe oder in einer Firma.


„Ich bring‘s ihm schonend bei.“

Mir geht es in diesem Beitrag darum zwei Dinge zu reflektieren: einmal die innere Haltung, wenn wir meinen es wäre eine gute Idee, dass wir jemanden „schonen“ wollen oder vor etwas bewahren wollen. Meinem Gegenüber schon im Vorfeld eine vermeintlich(!) negative Erfahrung abnehmen zu wollen, weil ich - und nur ich - zu wissen meine, was für den anderen aushaltbar sei, ist - in einem Wort - übergriffig. Ich entscheide damit für und über einen anderen Menschen: nämlich bereits bevor es überhaupt die Gelegenheit geben durfte, dass mein Gegenüber sich mit einer Situation auseinandersetzt und für sich entscheiden konnte, wie er oder sie diese Situation empfinden will.


Don‘t shoot the messenger - Verwechslung von Person und Handlung

Und nun zum zweiten Aspekt: dass jemand die Auswirkungen einer Handlung - zum Beispiel ein bestimmtes unerwünschtes Verhalten anzusprechen, eine Grenze zu setzen, etc. - mit der eigenen Beliebtheit gleichsetzt und damit im Grunde verwechselt. Im Kern formuliert: ich gestehe in dem Moment meinem Gegenüber nicht zu, dass er oder sie mich auch mal blöd, unangenehm, streng, etc. finden darf. Die Haltung dahinter: ich will gemocht werden - egal, was und wie ich etwas entschieden habe, wie ich etwas gemacht habe, wie ich in einer bestimmten Situation geführt habe.


Die Dynamik nochmal ganz konkret zusammengefasst: ich stelle mich da bildlich über jemanden anderen und maße es mir an aus der Ferne - und zwar nur aus meiner Warte heraus - zu beurteilen, was die andere Person verletzt und was nicht. Da sind wir dann auch ganz nah an einer unbewussten „Retter“-Energie aus dem Drama-Dreieck. Und dazu kommt: ich hätte dann auch noch gerne, dass die andere Person mich so wahrnimmt, wie ich bitteschön wahrgenommen werden will. Im Grund doppelt übergriffig: ich gestehe meinem Gegenüber erstens keine eigenen Gefühle und zweitens keine eigene Sicht auf mich zu.



Und die Folgen?

Die Konsequenzen sind gleichermaßen ungünstig - egal im privaten oder im beruflichen Feld. Erstmal: die Dinge, um die es geht, werden nicht aus- und nicht angesprochen. Klares Feedback kommt nicht zustande, die Kommunikation wirkt deshalb diffus und das Gegenüber wenig greifbar. Delegieren wird schwierig: Nein sagen und gut gefunden werden zu wollen geht halt auch nicht wirklich zusammen. Eine gesunde Herausforderung auf Augenhöhe findet nicht statt: gekonnt streiten ist ja auch immer eine Weiterentwicklung der Beziehung zwischen zwei Menschen. In Teams und Organisationen findet so auf mehreren Ebenen kein echter Aushandlungsprozess statt, keine wirkliche Bewegung oder Weiterentwicklung: nicht auf persönlicher Ebene und auch nicht auf organisationeller Ebene.


Und: Meine Wirksamkeit als Führungsperson leidet, denn ich beschränke mich ja selbst: ich verdünne meine Botschaften - mitunter bis zur Unkenntlichkeit -, nehme mich in meinem Handeln zurück und - Thema Nicht-Delegieren - lade mir selbst mehr auf den Teller, als es für mich gut ist.


In meiner Würde bleiben

Diese Konsequenzen gehen oft einher mir Erlebnissen von Frustration, Enttäuschung, Überforderung und Stress. Das sind für uns Menschen - egal ob einzeln oder in der Gruppe - sehr ungesunde Zutaten. Und - auf einer anderen Ebene - ist das gezeigte Verhalten alles andere als würdevoll. Würde besagt ja, dass ich wertvoll bin - einfach dadurch, dass ich ein Mensch bin. Wenn ich in meiner Würde bleibe, dann habe ich es also gar nicht nötig, mir den mir zugemessenen Wert von aussen zu holen. Dazu kommt: ich kann dadurch auch andere in ihrer Würde lassen: genau so, wie sie sind. Und ganz wichtig: auch mit ihren Reaktionen. Und ich wiederum kann mir selbst bewusst werden, dass ich in der Lage bin, diese Reaktionen auch auszuhalten.


Ergebnis und Ziel von Führungshandeln gut unterscheiden

Und zum Ende hin und noch einmal dick unterstrichen: na klar darf ich mich als Person in Führung gut finden lassen - und als Mensch sowieso. Wenn das durch mein Führungs-Handeln geschieht, ist das ein Grund zur Freude. Wenn es jedoch das Ziel meines Handelns ist, kann das der Beginn von großer Frustration sein. Vielleicht ist es da auch an der Zeit anzuerkennen, dass ich eine kompetente Führungsperson sein kann, auch wenn ich nicht gut gefunden werde.


In diesem Sinne: für mehr würdevolles Führungs-Verhalten und ein Drama-freies Begegnen zwischen Menschen - ganz egal ob zu Hause oder in der Arbeit. Und wenn Dich der Text in irgendeiner Weise angesprochen hat und Du eventuell auch Dein Erleben und Verhalten in bestimmten Situationen reflektieren willst: dann ist vielleicht ein Termin zum gemeinsamen Sparring konkreter Situationen oder ein thematisch passender Workshop genau etwas für Dich.


P.S. noch mein Buchtipp für Dich dazu: „Würde“ von Gerald Hüther



¹ Bitte für Dich passend einsetzen: 😊

  • Geschäftsführungen

  • Projektleitungen

  • Müttern und Vätern

  • Lehrerinnen und Lehrer

  • Trainerinnen und Trainern

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